Warum oder auch nicht

Gedichte und Aphorismen

Amalie Wissing   ab 1976

Inhaltsverzeichnis

Gedichte und Aphorismen

Und

Painting ©reated by Ton Haring

HIER ENTSTEHT IN WINDESEILE DAS HAU
S IN DEM ICH GERN VERWEI LE 3 X 3 GLEICH NEU
NE DU WEISST SCHON WEN ICH MEINE UND HIER ENTST
EHT KEIN WIND HAT EILE
DIE NEUN IM HAUS NUR EINE W
EILE GLEICH 3 X 3 hier steht
kein haus und unser lied
ist noch nicht aus

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Sobald

Painting ©reated by Knut Kargel

ich die gegenwart hinter mich gebracht habe, werde ich mich auf das futurum einlassen.

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Kinderlied

Painting ©reated by Knut Kargel

Griseldis wird Königin
alle Kinder gehen hin
ich male mir die Lippen rot
übermorgen bin ich tot.

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Schnee

geronnene Milch auf
Dächern und Straßen.

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Wer bist du mir

Digital Painting ©reated by Anikó Hencz

wenn ich dich höre, aber dein Innerstes mir schweigt?

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Wir

Foto ©reated by Khaled Hasan

sind Viele auf dem Weg vom Ich zum Du.

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Wissen

Foto ©reated by Khaled Hasan

Nicht weiß ich, was
ich will. Ich weiß
nur, was ich tu.
Des Tags mach ich
die Augen auf und
nächtens sind sie zu.

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Das Opfer

Foto ©reated by Khaled Hasan

Alles in Maßen, sagt der Schächter und
fängt das Blut in Krügen auf.

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Rot

Foto ©reated by Khaled Hasan

glitzert der Tau auf
des Frühlings Grün.
Roter blüht der Mohn.

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Am liebsten (1)

Assemblage ©reated by Maurizio Baccanti

Am liebsten, sag ich, hab
ich euch, wenn ihr von Zeit
zu Zeit das Blatt von eurem
Munde nehmt und mir mit
leichterer Zunge redet als
meinem Herzen ein Verstand
wie sauer Regen, der Loch um
Löcher willen brennt, wohl ahnend,
dass darob kein Emmenthaler und
drinnen schwerlich ein Burgunder reift.

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Am liebsten (2)

Assemblage ©reated by Maurizio Baccanti

Am liebsten hab ich dich, wenn
du von Zeit zu Zeit die schweren
Wimpern hebst und mir die Augen
aufschlägst wie ein Buch am Feuer,
das keine Flamme scheut und jedes
Wort in einem Augenblick verbrennt.

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Am liebsten (3)

Assemblage/Multiple ©reated by Maurizio Baccanti

Am liebsten hab ich mich,
wenn ich von Zeit zu Zeit gut
ausgeschlafen, so auch mir
vergebe, weil ich bin.

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Zwielicht

Painting ©reated by Gisela Brunn

Schattenlos.
Im Gras ein offenes Buch.
Der Wind blättert.

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Mein Herz blüht wie ein Mandelbaum im Licht

Painting ©reated by Gisela Brunn

ging und
starb und
war wohin
fragst du und
ich will weinen



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Wege

Digital Painting ©reated by Anikó Hencz

Geh aus mein Herz und suche Freud,
Verschont wirst du von keinem Leid.
Sollst manchen Tag nie mehr vergessen,
Das Mahl nicht an den Krümeln messen.

Träum dich davon, der Wind weht heiß,
Im Himbeerhimmel schmilzt das Eis.
Aux herbes gitanes, zartbittres Glück,
Führt dich kein Zauberzwerg zurück.

Laß dich bewegen, Kirchenmaus,
Such dir den besten Tänzer aus.
Der wiegt die Hüfte, stolzt den Schritt,
Zur Vesper dann, oh Herr, vergib.

Nenn Freud nicht Leid, und Leid nicht Freud,
Zu lang die Nacht, wenn Schimmel bläut.
Plan keinen Zug, steig auf zur Zeit
Von Wünschen gestern wunschlos heut.

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Im Vorübergehen

Painting ©reated by Nazim Mehmet

Wenn ich in einem Rollstuhl säße und meine
Sohlen nicht die Erde spürten, ich keinen Fuß
mehr vor den anderen setzte und kein Schritt,ob
groß ob klein, mir seinen Atem nähme,wenn
tausend Hüften meine tiefen Augen wiegten
und sich in einer Pfütze mir der Himmel
neigte, rollte ich, mit flügellahmen Armen
flatternd weiter, ohne abzuheben.
Den Kopf legte ich wie ein Kind beim Sprechen
in den Nacken und wäre mir nicht sicher, ob
meine Stimme laut genug und, selbst von ihrem
neuen Klang erschreckt, erzählte, was uns
bis dahin fremd und unbedeutend war. Ich
atmete einander schweren Duft. Die Schwaden
mittags über dem Asphalt. Im Park das Wabern
aus den Abfallkörben. Frauen wie Kinder, nicht
die Meinen, und Männer, im Vorübergehen.

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Haben und Sein

Digital Painting ©reated by Anikó Hencz

Das Leben ist so kurz, ach,
komm, lass es uns genießen!
Wir schlagen alle Feinde
tot, braten sie an Spießen.

Schlafen, rastlos glücklich sein,
bumsen rülpsen, pupsen, lob
ich mir mein Trüffelschwein.
Ohne das stirbt sichs allein.

Ein Wald ist tief, die Welt bleibt
rund, die Pyramiden weit.
Wenn hier und wann ein Grisly
brummt, heitert die Einsamkeit.

Schreit Gott in allerhöchster
Not, will euch Kurzweil lehren,
her das Schwein, sonst bin ich tot
und kann euch nicht bekehren.

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Wir brauchen keinen Krieg

Painting ©reated by Cecilia Scaffo

Reifen nicht Bohnen dick und prall
in jeden Herbst, schlägt niemand
mehr die Kichererbsen aus dem Strauch
und platzen sie nicht braun
und rot und gelb orange
aus allen Nähten und springen
und hüpfen und rollen und tollen.

Wir brauchten keinen Krieg.

Hielten Kinder sich die Ohren
zu und gingen nicht mehr lachend in die Knie
und sammelten die blauen Bohnen nicht
wie Erbsen, den Guten das Töpfchen,
den Schlechten das Kröpfchen, und
legten keinen Holzstumpf an und zögen
weder an noch aus und spielten
niemals kreischend in den Herbst,
in Braun und Gelb und Rot und Tod.

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Das mit dem Krieg

Painting ©reated by Cecilia Scaffo

Mami, ruft Jule, hör doch zu!
Mami kämmt sich im Bad.
Dort ist es warm. Die Milch wird
kalt. Kind, wir müssen los!

Warum weint Aishe?
Weiß ich nicht. Kind, beeil dich
doch! Der Schulbus hält. Und
Jule fragt, Mami, was ist Krieg?

Die Kinder kreischen. Der Fahrer lacht.
Komm Jule, steig schon ein!
Die Mutter gähnt. Grüß Aishe und
das mit dem Krieg machen wir um eins.

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Die Tasse

Painting ©reated by Lázaro Ferré

Im Küchenbord, bei Mondenschein,
steht eine Tasse, mokkaklein.
Zu ihren Füßen, fast ermattet,
ein grauer Fleck, den sie beschattet.
Sie selber ist grau-weiß kariert,
was sie bei Tageslicht geniert.
Drum fleht sie stumm zum Gott der Tassen,
er möge es nie unterlassen,
ihr ab und wann den Mond zu schicken
und ihr Kariertsein weg zu klicken.

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Der Floh

Drawing ©reated by Knut Kargel

Ein Floh entschloß sich an der Brücke
für den Transfer auf einer Mücke.
Die Mücke flog. Es flog der Floh
dem nackten Schwimmer auf den Po.
Der trug ihn noch bis Itzehoe
und warf ihn dort ins Gästeklo.

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Das Geriesel

Beim Eulenweg raunt Bachgeriesel
ein Waswas zu, zähl mir die Kiesel,
Hasselbach. Am Bontal rollt ihm
voll Genuss die Eins aus feuchter Lippe,
es murmelt fünf, zum Pipping vier und
stolpert über sieben von Altendorf
bis zum Le Freak, da ist's halb acht,
Die Sterne funkeln Licht.
Die Weser ruft, ich teil mit dir.
Die Dampfer schrammen nicht.
In Hameln hört's den Flötenmann
und ist ganz still geblieben.
Bei Nordenhamm wird es dann wach.
Das Wasser schmeckt nach Salz.
Es streift die letzten Kiesel.
Noch einmal seufzt es leis
und lacht. Und so ist es verschieden.

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Ilses Romanze

Assemblage ©reated by Maurizio Baccanti

Fischers fru, die ilsebill,
Weiß nicht recht, was er so will.
Wünschte sich ein tortenglück,
Gartenzaun mit sonnenblick.
Schwarzes konto, niemals miese,
Gänseblümchen auf der wiese.
Kocht den fisch im eignen sud,
Schwitze wasser, schwitzte blut.
Tränen hat es auch gegeben,
Denn es war ein langes leben.
Manches zähren, manches bangen,
Faule zähne, apfelwangen.
Edelzwicker, veuve clicquot,
Küsse auf den nackten po.
Augenblicke, flüsterworte,
Und zum sonntag apfeltorte.
Die romanze nummer vier
Dudelt leise durch die tür.
Seine wade tut ihm weh,
Draußen fällt der erste schnee.
Fischers fru, nicht ilsebill,
weiß sehr wohl, dass sie ihn will.

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hexenbilderbuch

Painting ©reated by Rossella Ramanzini

iih zeh eeh im zaubertritt
59 fährt schon mit
lorbeerblau
und 10 zurück
49 bringt das glück
neig das haupt und laß es zu
denn sonst findst du keine ruh
bärentatze
schlangenhaut
regenbogenangeraut
vogelnester
lehmgesang
felsenklirrensaitenlang
schlag dem faß den boden aus
laß den kranich in dein haus
brech den mond
in stücke vier
keines doch behalte dir
und so führt der hexenblick
einmal hin und nie zurück.

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Fonetix

Painting ©reated by Eduardo Nuñez Valbuena

Alleennellieallerlei
Plümyplümaplümo
Im bracken Wasser
Dümpelwarm
Ein Hahn
Ganz sine O
Warum weshalb
Ich weiß es nicht
Lalü tandaradei
Pandora hat´s
So himmelwarm
Lalü Lalü Lalei
Nun glaubt ihr´s hier
Und seht es dort
Im Hähnrichkrächzgeschrei
Nimmt´s jemand mit und trägt es fort
Lalü tandaradei

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Poem-Walker Number 1

Painting ©reated by Linda de Sousa

Die Weide labt sich
an Vergänglichem;
das Einhorn schweigt,
es ist dahin, im
unsagbar Belänglichen.

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Sag dem Sommer Ade

Painting ©reated by Knut Kargel

September wirft das Irrlichtgelb, Schleiergrau
türmt Wolken, drängt die Sonne aus dem Park. Gespreizt
rollt die Kastanie das bunt getupfte Blatt. Warm
und matt glänzt bald die Frucht. Sag dem Sommer ade!
Jetzt rüttelt der Wind die atemlosen Zweige.
Prasseln, feuerrot, schweift durch die Nacht.

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Abschied

Painting ©reated by Knut Kargel

Er tippt mich leise an, behutsam,
so, als wollte er noch sagen
Hey, es war schön, vergiß mich nicht...
Ich hebe meinen Blick und sehe,
seine Winteraugen frieren.

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Indian Summer

Painting ©reated by Knut Kargel

Wie schön zu leben,
wenn Leben über Leben
wacht und Liebe über Liebe.

Das Wasser gluckst im
Kieselbett, nimmt den
Mund arg voll, verschluckt
sich unaufhörlich.

Mein Pfeifchen qualmend sitze
ich, das runzelige Gesicht der
Sonne zugewandt
und lausche dem knisternden
Holz, den knorrigen Händen.

In den Wipfeln hat
der Wind ein leichtes Spiel.

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Lass die Worte

Sculpture ©reated by Knut Kargel

Lass die Worte, spuck den
Sand, die knirschend
hohen Kuppeln brich.
Die morschen Wände lass und
aller Bilder Bild
wie Brunnen Brunnen
sind und Wasser nass.

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Painting ©reated by Jean Dolande